Gero P. Weishaupt
                                                            Gero P. Weishaupt                                                                                       

Präsidialgebete

Latinität der Präsidialgebete

 

Die Präsidialgebete der Heiligen Messe, wozu neben der Präfation die Collecta, die Oratio super Oblata (Secreta) und die Postcommunio gehören, zeichnen sich in ihren lateinischen Originaltexten durch stilisierte, quantitierende und rhythmisierende Prosa aus (Christine Mohrmann), die in ihrer geballten Prägnanz und erhabenen Strenge nicht nur einen Wesenszug römischen Geistes ausdrückt, sondern auch der Sakralität, Objektivität und Transzendenz, die dem Römischen Ritus der Heiligen Messe eigen sind, entspricht.

Die lateinischen Präsidialgebete sind Höchstformen spätlateinischer Kunstprosa, von denen manche in ihren Formen auf Vorbilder in der homerischen Poesie und altrömischer Gebets- und Rechtstexte zurückgehen. Es ist wunderbar, "bis zu welcher Höhe von Schönheit und innerer Glut diese Orationen manchmal emporsteigen, ohne doch die erhabene Jenseitigkeit überindividueller Frömmigkeit zu verlassen, die aus ihnen zu sprechen pflegt. Sprachlich ist ihnen aus guter Rhetorenüberlieferung gefälliger Rhythmus der Sprache eigen, der cursus, der sich besonders in den Satzschlüssen äussert und dort von der Melodie der einfachen Kadenzen aufgenommen wird" (Joseph Pascher, Eucharistie und Vollzug, Freiburg 1947, 61).

Wegen ihrer stilisierten Formen stellen die Orationen hohe Ansprüche sowohl an den Übersetzer in Neusprachen als auch an den Redaktor lateinischer Orationen, wie man sie in den altkirchlichen Sakramentarien (Leonianum/Veronense, Gelasianum, Gregorianum, um nur die bedeutendsten zu nennen) vorfindet. In der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind für die Editio Typica des Missale Romanum Pauls VI. vereinzelt lateinische Orationen des Missale Romanum Pius´V. stilistisch verbessert worden.

Infolge des Grundsatzes der aktiven Teilnahme der Gläubigen an der Heiligen Messe, die die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils wünscht, wurden die lateinischen Messtexte in die jeweiligen Landessprachen übersetzt. Dabei galt Verständlichkeit als wichtigstes Übersetzungskriterium. Das führte zu einer Vereinfachung der Texte, was häufig einen "Umbau" der lateinischen Originale in den Übersetzungen zur Folge hatte. Viele der übersetzen Orationen wurden außerdem mit interpretativen Zusätzen versehen. Nicht selten entfernten sich die Übersetzer sogar inhaltlich von den lateinischen Vorgaben.

Das führte nicht nur zu einer Banalisierung der Texte, sondern nahm ihnen auch etwas von ihrer ursprünglichen Schönheit, Kraft und theologischen Tiefe. Die Übersetzer hätten behutsamer mit ihren lateinischen Vorgaben umgehen sollen. "Es kann nicht eindringlich genug darauf hingewiesen werden, dass die römischen Orationen nicht als einfache Prosa gesehen werden dürfen. Sie stehen an der Grenze von Poesie und Prosa und können nur mit grösster Behutsamkeit 'verbessert' werden, wie es hier und da ML" (= das lateinische Missale Romanum Pauls VI.) "tut. Die Redaktoren von MD" (deutsches Missale Romanum Pauls VI.) "haben wohl gewusst, dass sie diese Art der Poesie nicht nachahmen können oder dass sie es doch nur in beschränktem Umfang tun können. Vielleicht haben sie die Schönheit des Originals zu radikal aufgegeben" (Josef Pascher, Die Orationen des Missale Romanum Papst Pauls VI., St. Ottilien 1982, 120).

Die Instruktion Liturgiam Authenticam von 2001 fordert für Neuübersetzungen der liturgischen Bücher wieder eine grössere Nähe zum lateinischen Original, soweit dies möglich ist.

In der Form der lateinischen Originale fällt der stets gleichbleibende Aufbau im Wechsel paralleler und antithetischer Gegenüberstellungen von Satzteilen oder Wörtern auf. Als typische rhetorische Figuren, die zum kunstvollen Gepräge der Präsidialgebete beitragen, treten neben Parallelismus und Antithese Anapher, Chiasmus, Hyperbaton und Zäsur in Erscheinung. Aber auch Klangfiguren wie die Alliteration, das Homoeoteleton oder die Onomatopoiie sind nicht selten anzutreffen.

Stilmittel

Literarische Stilmittel (Tropen und Figuren) verleihen einem Text eine besonder Würde und Aussagekraft. Bei sakralen Texten wie den liturgischen Texten tragen sie dazu bei, den Text und dessen Inhalt dem Alltäglichen/Profanen zu entziehen. Damit kommen sie einem Wesenskern liturgischer Texte entgegen.

 

Seit der klassischen, griechisch-lateinischen Rhetorik kennt man literarische Stilmittel. Sie gelten nach wie vor auch für liturgische Texte, wie oben dargestellt. Eine Zusammenstellung der wichtigsten literarischen Stilmittel finden Sie auf der folgenden Seite:

 

(Lateinische) Stilmittel

 

 

Beispiele I

Beispiele II

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