Gero P. Weishaupt
                                                            Gero P. Weishaupt                                                                                       

„Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Der Johannesprolog

 

Das Missale Romanum Pauls VI. hat eine Reihe von Segensgebeten aufgenommen, die der Priester ad libitum (fakultativ) am Ende der Messe über das Volk sprechen kann. Diese Vielfalt kann gewiss als eine Bereicherung bezeichnet werden. Zwar kennt auch das Missale Romanum Pius´ V. solche Segensorationen über das Volk, sie sind aber auf die Fastenzeit beschränkt. Das neue Missale bietet 20 dreigliedrige Formeln für den feierlichen Schlußsegen, die an bestimmten Festen des Kirchenjahres gespendet werden können.[1] Auch die orientalischen Liturgien kennen feierliche Segensgebete.[2]

 

Michael Kunzler erinnert daran, dass der Johannesprolog (Joh 1,1-14), den das Missale Romanum Pius´ V. nach dem Schlußsegen des Priesters vorsieht, auch ein solches Segensgebet ist.[3]

2Im 13. Jahrhundert war der Johannesprolog … als Segensformel hoch geschätzt, wurde mit den anderen Evangelien gerne als Wettersegen gesprochen und kam in das römische Meßbuch von 1570.2[4] 

 

Josef A. Jungmann räumt ein:

 

"Übrigens muß man gestehen, daß die Worte, bei denen der Priester die Knie beugt: „Und das Wort ist Fleisch geworden“, auch eine bedeutungsvolle Zusammenfassung dessen ist, was in der Messe soeben geschehen ist.2[5]

 

Prägnant fasst M. Gaudron den Sinn des Johannesprolog in der Heiligen Messe folgendermaßen zusammen:

 

„Wie der greise Johannes am Ende seines Lebens tief ergriffen auf die Jahre seines Zusammenlebens mit dem göttlichen Wort zurückblickend für uns diesen Text verfaßte, so schauen wir am Ende de Messe nochmals dankbar auf die Geheimnisse de Heils, mit denen wir durch das Meßopfer in Kontakt traten, zurück: Das göttliche Wort, Licht und Leben der Welt, ist in der Zeit Fleisch geworden und hat uns, die wir es als unseren Erlöser angenommen haben, mit seinem Licht und seinem göttlichen Leben erfüllt. Wir haben sein Wort gehört, durften Zeugen der Erneuerung seines Opfers sein und uns mit diesem sogar vereinen. In der erhabenen Schönheit der kirchlichen Zeremonien haben wir mit den Augen des Glaubens etwas von seiner Herrlichkeit schauen dürfen. Wir sind ihm wirklich begegnet, dem Eingeborenen des Vaters, voll Gnade und Wahrheit.[6]

 

Tatsächlich ist das Wort unter den Gestalten von Brot und Wein bei der Wandlung Fleisch geworden, in den konsekrierten Gestalten durften die Gläubige mit den Augen des Glaubens das Wort wirklich sehen, das  in der Tat unter den Gläubigen „gewohnt“ hat, besonders nach dem Empfang der heiligen Kommunion. Vom göttlichen fleischgewordenen Wort geht Segen aus in Fülle, „voll Gnade und Wahrheit“. Darum ist es zu bedauern, dass dieses „Schlußevangelium“, das im 1962er Missale als Schlußsegen konzipiert ist, im Messbuch Pauls VI. keine Aufnahme mehr gefunden hat. Bei einer „Reform der Reform“ des nachkonziliaren Messbuches ist ernsthaft zu erwägen, ob es nicht wieder Verwendung finden sollte, zumindest sollte es zu besonderen Anlässen zum Vortrag kommen.

 

Anders als bei den übrigen Segensgebeten über das Volk wendet der Priester sich dabei jedoch nicht zum Volk hin, über das er seine Hände ausbreitet, sondern verkündet den Johannesprolog zum Norden hin, wie es auch in der außerordentlichen Form des Römischen Messritus vorgesehen ist. Dahinter steht der Gedanke, dass der Norden nach der Überlieferung der Ort der Finsternis und Kälte des Heidentums ist.[7] Der Segen, der vom fleischgewordenen und in der Messe gegenwärtig gesetzten göttlichen Wort ausströmt, soll den Gläubigen Licht in der Finsternis, Geleit und Schutz schenken. Aus der unmittelbaren Gegenwart des göttlichen Wortes sollen sie  in den Alltag wieder eintreten. Aus der Sammlung wird Sendung.

 


[1]          Vgl. J. HERMANS, Die Feier der Eucharistie, 350.

[2]          Vgl. J.A. JUNGMANN, Der Gottesdienst der Kirche, 165.

[3]          M. KUNZLER, Die Liturgie der Kirche, 382.

[4]          Ibid., 382.

[5]          J.A. JUNGMANN, Der Gottesdienst der Kirche, 166.

[6]          M. GAUDRON, Die Messe aller Zeiten, 185.

[7]            Vgl. W. LANG, Die Liturgie der heiligen Messe, 97. Lang spricht allerdings unkorrekt vom Osten als dem Ort der Kälte und des Heidentums. Diese Aussage mag damit zusammenhängen, dass in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus der Priester nicht direkt zum Norden hin, sondern an der linken Seite des Altares etwas schräg hin zur Nordseite den Johannesprolog vorträgt.

 

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